Theater und Internet - eine Wechselwirkung - Kommentar von Bianca Papadopoulos
Die gegenwärtige Epoche bietet ein weites Spektrum an technischen Möglichkeiten in jeder Form an. Zu diesen gehören, unter anderen, die Neuerung der Einbeziehung des Internets in das Theater oder umgekehrt.
In folgendem Text wird ein Einblick in die Interaktion zwischen Theater und Internet geboten. Zu Beginn werden die Gemeinsamkeiten und Differenzen zwischen den beiden Formen vorgestellt. Danach folgt die Erläuterung ihrer Wechselwirkung, aus der jeweiligen Sicht betrachtet, und die entgegen gesetzte Position des Zuschauers/Nutzers.
Gemeinsamkeiten und Differenzen zwischen Theater und Internet (bzw. Computer-Bildschirm)1
Auf der traditionellen Bühne des Theaters galt schon seit einigen Jahrzehnten die Erlaubnis jede Art von Ausdrucksformen, seien es raumzeitliche, körperliche oder sogar mediale, zu präsentieren. Die Bewegung der Darsteller kann frei sein und gleichzeitig können Objekte auf der Bühne angeordnet werden. Diese Vielfalt an Möglichkeiten kann genauso auf das Internet übertragen werden, da in ihm unterschiedliche raumzeitliche oder statische Medientypen entstehen können, die allerdings immateriell und körperlos sind. Gleich wie bei einem Computer-Bildschirm, kann auch eine Bühne geschlossen und flach funktionieren.
Abgesehen von den o.g. Gemeinsamkeiten gibt es Faktoren, die entscheidend sind, und somit eine klare Grenze zwischen den beiden Formen bilden. Beim Theater handelt es sich um eine Kunstform, die geschlossen und linear abläuft, gerichtet auf das Erzählen und Darstellen. Die klare Trennung zwischen Zuschauerraum und Bühne bringt zwei „Ebenen“ hervor. In der gleichen Art und Weise könnte argumentiert werden, dass zwischen dem Internet und seinem Nutzer eine klare Trennung durch den Computer- Bildschirm erzeugt wird. Diese Theorie kann dennoch abgewiesen werden durch das Paradigma eines leidenschaftlichen Nutzers (der im Kapitel „Zuschauer/ Nutzer ausführlich erläutert wird). Außerdem besteht eine weitere Differenz darin, dass der Raum des Computers (Internet) immateriell und telepräsent ist.
Die Wechselwirkung zwischen Theater und Internet
Das Phänomen einer Korrelation zwischen Theater und Internet hat sich in den letzten Jahren immer mehr etabliert. Jede einzelne der beiden kann als eine gewisse Kunstform betrachtet werden. Doch die Vorteile beider treten durch eine Art „Mischung“ dieser hervor. Theater ist in jeder Internetseite wieder zu finden, ebenso ist es möglich das Internet und seine Befähigungen in eine Theaterinszenierung miteinzubeziehen.
Theater im Internet
Durch den verbreiteten Zugang auf das Internet, der in den letzten Jahren große Fortschritte gemacht hat, ist mittlerweile die Mehrheit der Menschen heutzutage mit des-sen Nutzung vertraut. Allerdings steigt die Zahl der Bevölkerung, die dieses nutzt, nicht ausschließlich durch dessen Eigenschaften, sondern es wird ein Teil vom Theater und seinen Leistungen beigetragen.
Dies mag auf den ersten Blick nicht deutlich sein. Dennoch gibt es die sogenannte „Theatralität“ im Netz. Die Einzigartigkeit des Theaters liegt darin, eine Interaktion zu ermöglichen. Diese Funktion wird mit Hilfe der Theatralität im weiteren Sinne auch im Internet übernommen. Die Nutzer können interagieren indem sie sich beispielsweise mit anderen Nutzern in Chatrooms austauschen.2 Der Austausch von Ideen, Anregungen wird dadurch ermöglicht. Ebenso wird die Anbietung von Livestreams gängiger. Der Wunsch bei einem „Live-Event“ dabei zu sein, auch wenn dies nur Zuhause von dem Computer-Bildschirm geschieht, ist ein neuer Trend.
Des Weiteren wird im Netzt lediglich oft mit der Annahme einer „anderen Identität“ gespielt. Diese Tendenz ist durchaus bekannt aus dem Theater und kann mit der Rolle eines Schauspielers verglichen werden. Denn in jeder beliebigen Internetseite ist mittlerweile die Eröffnung eines Profils möglich in dem ein Pseudonym verwendet werden kann:
"[…] - der Chatter konstituiert über die Kreation des Nicknames seine „virtuelle Person“, die er gleichzeitig durch Artikulationen – also in Schrift, Bild und Klang – in Szene setzt. Allein über die Schaffung seines Namens, so die zentrale These Kuŝnirs, wird der Chatteilnehmer bereits zum Künstler und (Schau-)Spieler seiner selbst."3
Die Folge daraus ist ein Rollenspiel, das im Netz stattfindet. Es ist zwar amüsant, was viele Leute dazu bewegt sich damit zu beschäftigen, dennoch verbirgt es auch Gefahren. Abgesehen von diesen speziellen Arten, in denen die Assoziation mit Theater gut denkbar ist, gibt es die generelle Ideologie dieser Plattform. Die Strategie, die hinter dem Internet steckt, hat viele Parallelen zu der des Theaters. Es möchte interessante Stoffe hervorbringen um den Rezipienten zu begeistern. Die Eigenart mit der dies erfolgt, ist diese Stoffe so gut wie möglich zu „verpacken“. Mit einer langweiligen und farblosen Seite beschäftigt sich ein Nutzer kaum, dagegen eine „lebendige“ weckt sein Interesse. Es ist eine unterbewusste Wirkung, die das Theater auf das Internet ausübt. Dies sagt aber keineswegs aus, dass diese nicht existiert.
Die Einbeziehung des Netzes im Theater
Das Prinzip des Theaters äußerte sich in der Vergangenheit als ein ziemlich einfaches: Einer oder mehrere Darsteller spielen ein Stück für das Publikum. Durch den technischen Wandel, den allerdings unsere Gesellschaft erlebt, reicht dieses schlichte Konzept nicht mehr aus. Die Verwandlung des einfachen Publikums in ein anspruchsvolles, stellt die Theaterverantwortlichen vor eine immer neue Herausforderung.
Die Modernisierung einer Aufführung hängt sehr eng mit dem Begriff der Intermedialität zusammen. Die Einbeziehung von Video- und Bildmaterial ist eine gängige Erscheinung. Umseitig ist die Inklusion des Internets erst in den letzten Jahren mit dem Theater vertraut geworden. Die Ursachen, die dazu führten können logisch verfolgt werden. Das Internet spielt eine wichtige Rolle heutzutage. Die Mehrheit ist damit vertraut. Ein Theaterangebot, das dieses miteinbezieht – und es verkündet- schafft es sein Publikum zu erweitern. So sieht sich der Zuschauer eine Inszenierung an, die zum Beispiel gleichzeitig auf Twitter jeden Akt postet. Diese oder ähnliche Arten, die das Internet auf die Bühne bringen, gewinnen an Einzigartigkeit und Ruf. Ein anderes Beispiel des Internets auf der Theaterbühne ist eine Performance die durch die Interaktion zwischen Publikum und Performer generiert wird. Das Publikum kann sich im Internet Bilder suchen und diese werden live auf der Bühne auf einem Projektor gezeigt. Zu diesen Bildern muss eine spontane Reaktion der Darsteller stattfinden:
[…] Diese äußerst unterhaltsamen interaktiven Improvisationsmonologe intendieren, wie die Darsteller aussagen, die Rückprojektion des Netz-Raums auf den realen Raum und die Rückbindung der virtuellen Innenperspektive an den realen Körper.4
Ein Grund für die zunehmende Tendenz, das Internet in eine Inszenierung einzubauen, kann der Zuschauer sein.
Der Zuschauer/Nutzer
Die Gleichsetzung des Zuschauers einer Theaterinszenierung mit dem Nutzer den Internets scheint anfangs nicht berechtigt zu sein. Dennoch erfüllen beide das gleiche Muster: des Rezipienten. Was aber daraus entsteht, stellt nicht unbedingt einen Unterschied zwischen diesen dar.
Zu den grundlegenden Unterschieden gehört die Art ihrer Orientierung. Der Leitfaden des Zuschauers ist der „rote Faden“ der Inszenierung. Daran kann er sich festhalten um den Sinn und die Reihenfolge des Stückes zu verstehen. Im Netz bietet sich durchweg kein vorgeschriebener „Weg“, sondern der Nutzer muss ihn sich selbst erarbeiten.5 Annähernd an die Entwicklung des Theaters hat sich die Rolle des Zuschauers natürlich mit verändert. Zu den Prioritäten des Menschen im 20. Jhd. gehört vor allem Selbstständigkeit, Einflussnahme und Selbstbestimmung. Zeitgleich ist das Internet für ihn eine Informations- und Unterhaltungsform in der er sich frei und ohne Regeln bewegen kann. Somit setzt sich bei ihm der Eindruck der Herrschaft über dieses Medium, doch in Wahrheit ist er das „Opfer“. Im Schein der alleinigen Entscheidung der Orientierung lässt er sich unbewusst durch Ästhetik-Faktoren manipulieren. Durch seine Vertiefung in diese Welt des Internets wird sein Zeitgefühl ebenso korrumpiert. Das Gefühl der Realität verblasst und seine Urteilskraft wird geringer.
Doch die Manipulation findet nicht nur in der Ebene der Informationsvergabe statt. Das o.g. Rollenspiel, das sich in den Chatrooms vollzieht, gewinnt eine neue Dimension und diese sind Computerspiele. Darin wird der passive Rezipient zu einem aktiven Nutzer. Die Teilnahme am Geschehen reizt ihn weiter zu spielen und das ganze wandelt sich in eine Gewöhnung um. Das Gefühl der Realität drängt in sein Spiel ein und er verliert jegliche Wahrnehmungsfähigkeit. Das Gefühl der Echtheit, was natürlich nur vorgetäuscht wird, findet in der Welt des Theaters ebenso statt. Bei einer traditionellen Aufführung soll das Publikum die Weltordnung der Bühne zu seiner eigenen machen. Es soll in das Geschehen „eintauchen“.
Im Gegensatz ist es Ziel des innovativen Theaters der Gegenwart, den Zuschauer aus seiner Passivität heraus zu locken. Er bekommt eine Rolle zugeschrieben und agiert mit. Durch diesen Aufschwung bekommt das Theater für ihn eine andere Bedeutung und er hat das Gefühl mit im Mittelpunkt zu stehen. Das Resultat im Theater ist der Besuch von Gruppen, die sich bis dato nicht mit einer passiven Rolle im Zuschauerraum zufrieden geben wollten.
Fazit
Die Verschmelzung von Theater und Internet ist eine anspruchsvolle Aufgabe. Demungeachtet handelt sich um zwei Formen, bei denen ein gegenseitiger Gewinn möglich ist. Die Art und Weise mit der sie arbeiten, stellt eine ähnliche Zielsetzung dar. Zugleich befindet sich ihr Schwerpunkt auf dem jeweiligen Rezipienten. Theater und Internet: zwei Gebiete mit einer klaren Trennung und dennoch sich gleichend.
1Christoph, Rodatz: Theaterraum als Computer-Bildschirm. Vom Zuschauer zum aktiven Nutzer. In: Christopher, Balme / Markus, Moninger [Hgg.]: Crossing Media. Theater - Film - Fotografie - Neue Medien. München: Epodium, 2004, S.191f.
2Andreas, Horbelt: Theater und Theatralität im Internet. München: Ludwig-Maximilians-Uni-versität, München, Univ., Mag.-Arbeit, 2001.
3Henrike, Schmidt: Russische Literatur im Internet. Zwischen digitaler Folklore und politischer Propaganda. Bielefeld: Transcript, 2011, S. 245.
4Roberto, Simanowski: Theater und Internet. In: Urs, Meyer/ Roberto, Simanowski/ Christoph, Zeller [Hgg.]: Transmedialität. Zur Ästhetik paraliterarischer Verfahren. Göttingen: Wallstein, 2006, S.67.
Rodatz 2004, S.192.
5Rodatz 2004, S.192.